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Wilde Befangenheit

Wilde Befangenheit

Der Mensch braucht im Unterbewusstsein nur sieben Sekunden, um sich für etwas zu entscheiden. Mit dieser Lebensweisheit im Hinterkopf entscheide ich mich also für die zerrissene Hose und das schwarze, enge Top. Nachdem die Sneakers ihren natürlichen Eigenschaften getreu klobig und schwer die zierlichen Fußgelenke umfassen, betrachte ich mich prüfend im Spiegel. Mein Charakter findet sich in der elegant-lässigen Hülle am besten zur Geltung gebracht und mein Über-Ich klopft ihm stolz auf die Schulter. Heute verstecke ich mich nicht unter schmerzenden Kontaktlinsen oder unter einer zweiten Haut, beschließe ich in einem bedeutenden Moment spiritueller Selbstfindung.

Dann mache ich mich in freudiger Erwartung auf den Weg durch die Dunkelheit.

Obwohl oder gerade weil es elf Uhr ist, bleiben die Räume noch leer, während die bunten Lichter dennoch unbeirrt die Tanzfläche bombardieren. Die einen sind nicht betrunken genug, um jetzt schon anzutanzen, die anderen drücken damit ihre Coolness aus.

Doch ehe ich mich versehe, schlägt Leere in Überfüllung um. Wo man sich vorher peinlich berührt in Tippelschrittchen aufgewärmt hat, ist nachher für ausschweifende Bewegungen kein Platz. Trotzdem scheinen alle Spaß zu haben und auch ich versuche, mich in dem Viertel Quadratmeter auszuleben. Der Bass ist laut, die Körper schwitzen dicht an dicht, ich habe kein Zeitgefühl mehr, eher das Gefühl, alle Zeit der Welt zu haben, denn sie geht so langsam vorbei, wenn man auf die Uhr schaut. Ich tanze und lache und raste aus, wenn meine Lieblingslieder kommen. Dann tanzen meine Freunde und ich ungehemmt zum Beat und blenden alles um uns herum aus. Mit funkelnden Augen schauen wir uns dann an und wissen um den vollkommenen Moment, den wir uns von diesem Abend erhofft haben.

Bis die Realität mich einholt und ein Gaffer in meiner Nähe sich endlich traut, sich an eine Auserwählte heranzupirschen. Langsam, aber bestimmt schleicht er sich an sie heran, bis sie seine Anwesenheit im Rücken spürt. Das Mädchen namens Lena lächelt verkrampft und verwendet ab jetzt ihre gesamte Energie darauf, ihn zu ignorieren, bis die glasigen Augen sich ein neues Opfer suchen.

Das sehe ich und plötzlich verwandelt sich die Fläche vor meinen Augen in einen Schauplatz: Ich sehe die tatenlosen Herren am Rand der Fläche thronen, wie sie mit dem Getränk in der Hand nicht einmal mit dem Kopf nicken. Ich sehe trotz langer Nacht kurze Kleider und hohe Schuhe, die das weniger hohe Niveau zu Boden stöckeln. Ich bemerke, dass meine Lunge sich gegen den brennenden Rauch stemmt und dass die Augen müde sind. Ich stelle fest, dass mir das Lied nicht gefällt und ich es dennoch drei Minuten lächelnd ertrage, weil ich mir doch vorgenommen habe, Spaß zu haben. Um diese Zeit zu überbrücken, beobachte ich die Menschen und merke, wie auch sie wie Legehennen ständig den Kopf drehen, als ob sie auf der Suche nach etwas oder jemand Bestimmtem wären.

Meine Sentimentalität erreicht ihren Höhepunkt und so sehe ich in den Augen der Einzelnen die Sehnsucht nach etwas Besonderem. Sie hoffen auf ein tolles Erlebnis, obwohl sie mittendrin stecken. Ich bilde mir sogar ein, dass selbst der größte Spanner auf der Suche nach der großen, wahren Liebe ist und überlege mir beim Anschauen eines benommenen Mannes Ende 20, was er sich wohl vom Leben erhofft.

Dies alles geht mir innerhalb von Sekunden durch den Kopf, während der Dancefloor bebt und seinen eigenen Höhepunkt erreicht. Ungehemmt und wild trifft auf gekonntes So-tun-als-ob, denn man ist ja gekommen, um sich gehen zu lassen, das Leben zu feiern, Spaß zu haben.

Es ist ein Uhr. Lena twerkt mit ihren Freundinnen zu Trap Queen und hofft darauf, nicht bald wieder angetänzelt zu werden.  Der Mann Ende 20, dessen Namen ich nicht weiß, nähert sich mir verdächtig nahe, obwohl wir ein Floppgespräch geführt haben, bei dem er mich fünf Mal ungläubig fragte, warum ich keinen Alkohol trinke. Ich sehe ihn mitleidig an und bin gleichzeitig genervt und fast wütend, dass er mir meine unbefangene Freiheit raubt, sodass ich ihm selbst das sündhaft teure Wasser überkippen könnte, welches mich vor dem Verdursten bewahrt.

Nach einem Positionswechsel fühle ich Erleichterung und Sehnsucht, im Bett zu liegen.

Würde ich jetzt in den Spiegel schauen, wäre äußerlich sicherlich nicht mehr viel von der eleganten Gelassenheit  übrig.

Diese Tatsache hält einen Anzugträger dennoch nicht davon ab, mir in angenehmem Abstand einen Satz entgegenzurufen, der wohl für immer in mein Gedächtnis eingebrannt bleibt. Selbst mit dieser Sache gut vertraut, bemerkt er an mir, was andere niemals hervorheben würden.  Und im Gegenzug bemerke ich, dass ich zwischen all den Leuten einen Menschen gefunden habe, der mir echt erscheint inmitten dieses Massenschauspiels namens „Feiern“. Es ist die einfache Bemerkung „Du hast aber eine schöne Brille“, die es geschafft hat, mir ein wahres Lächeln zu entlocken.

Ich antwortete in weniger als sieben Sekunden.  

Regina Fritscher, MSS 13

 
   
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