Sonntag, der 9. November 2014 ist vorbei.
Während sich in Deutschland verschiedene historische Ereignisse jährten, sollte in Spanien, nein in Katalonien, Geschichte geschrieben werden: Die Katalanen wollten über ihre Unabhängigkeit abstimmen. Und es wurde auch abgestimmt. Aber das Ergebnis ist nur eine Eigenständigkeit „light“. Denn die Abstimmung verkam zum Stimmungsbild, da das spanische Verfassungsgericht das Referendum als unzulässig erklärte. Dies führte auch zu einer relativ geringen Wahlbeteiligung und damit verbunden zu einem 80%-Sieg der Abspaltungsbefürworter. Die Unabhängigkeitsbewegung existiert in Katalonien schon sehr lange existiert und mobilisiert Millionen von Anhängern. Damit greift sie indirekt auch in die deutsche Wirklichkeit eingreift. Genug Gründe, um im Spanisch-Grundkurs 11/12 des KG ein entsprechendes Projekt zu starten: Wir sehen es als unsere Aufgabe an, diese massiven Entwicklungen im Nachbarland zu beobachten, zu beschreiben und einzuschätzen. Es gibt sehr viele Länder, die die Unabhängigkeit anstreben – gerade erst konnte man das knappe Referendum in Schottland erleben – aber es handelt sich immer um eine andere historische und politische Situation, sodass man nur differenziert vergleichen kann. Um die aktuelle Situation in Ostspanien zu verstehen, sollte man folgende Zusammenhänge sehen: „Revolution geschieht nur in wirtschaftlicher Notlage“. Es ist der Zusammenbruch der spanischen Wirtschaft und des Wohlstands, der die Unabhängigkeitsbewegung rasant befeuert hat. Katalonien ist die reichste Region Spaniens (vor wenigen Jahren noch eine der reichsten in Europa) und leidet nunmehr unter einer verheerenden Arbeitslosigkeit und Wirtschaftsrezession. Den anderen Regionen geht es noch wesentlich schlechter und Katalonien muss entsprechende Ausgleichszahlungen leisten. Dieser spanische „Länderfinanzausgleich“ ist aus katalanischer Sicht ungerecht und übertrieben. Bayern beklagt sich auch immer ähnlich, aber der Wohlstand in Deutschland ist noch zu hoch, als dass eine Eskalation zu befürchten ist. Die Politik der spanischen Zentralregierung wird abgelehnt. Nachvollziehen kann man durchaus die Kritik an dem geplanten Gesetz, Abtreibung wieder unter Strafe zu stellen. In den letzten Jahren fanden tausende Zwangsräumungen statt, weil Staatsbanken die Gebäude mit Zusatzsteuern belegten, die nicht mehr bezahlbar sind. Es gibt kein Land in Europa, in dem die Obdachlosigkeit so gestiegen ist wie in der Region Katalonien. Katalonien leitet sein Recht auf Unabhängigkeit auch aus seiner Geschichte ab: Vor dem spanischen Bürgerkrieg (1936-1939) hatte es gesetzlich verbriefte Eigenständigkeit, die die Faschisten unter Franco den Katalanen wieder genommen haben (das ist noch gar nicht so lange her). Unter dem Diktator wurden die kritischen Regionen unterdrückt. Es war verboten, katalanisch zu sprechen. Menschen, die dabei erwischt wurden, wurden eingesperrt oder sogar umgebracht. Diese Gründe für eine Abspaltung sind durchaus nachvollziehbar. Dennoch sollte eine derartige Eigenständigkeit immer im Zusammenhang mit der Einbettung in die Europäische Union gesehen werden, deren Strukturen nicht einfach ausgehebelt werden sollten. Es lassen sich ja bereits Anzeichen einer wirtschaftlichen Verbesserung erkennen und somit scheint eine Entschärfung der Situation durchaus vorstellbar. Traurig wäre es auch, wenn die Fußballmannschaft Barça aus der spanischen Liga verschwinden sollte. Es würde nicht mehr zum „clásico“ Real Madrid gegen FC Barcelona kommen… ein nicht zu unterschätzender Faktor. Es gibt noch eine bedeutende Region in Spanien, die lange versucht hat, unabhängig zu werden: Das Baskenland. Auch die Basken wurden von Franco brutal unterdrückt. Dies provozierte eine starke baskische Bewegung, die einen schwerwiegenden Fehler begann: Sie griff zu den Waffen und wollte die Unabhängigkeit mit Gewalt erzwingen. Dies war zwangsläufig zum Scheitern verurteilt. Nach Jahrzehnten von Bombenanschlägen und anderen Gewalttaten mit zehntausenden Toten, hat sich die baskische Untergrund-Organisation (ETA) aufgelöst. Der Grund: Die Bevölkerung hat sich nach dem Tod von vielen Unschuldigen abgewendet. Hierin liegt die katalanische Chance: Es beeindruckt, dass es bislang noch zu keinerlei Gewalt gekommen ist und es ist durchaus vorstellbar, dass mit Geduld und demokratischem Geschick sich einmal ein Zeitfenster öffnet, indem die Entstehung eines eigenständigen Staates möglich ist, so wie das in zahlreichen anderen Ländern der Fall war (Tschechien, Slowakei, Slowenien etc.). |
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