Zeitzeugengespräch im Geschichtsunterricht der 10c
„Mich hat an diesem Gespräch mit der Zeitzeugin wirklich sehr beeindruckt, dass sie sich so sehr an diese schwere Zeit erinnern konnte und auch noch so offen darüber sprechen konnte.“ Tom Scherner, 10c
Da wir im Geschichtsunterricht gerade zum Ende der NS-Zeit gekommen sind, hat unser Geschichtslehrer uns vorgeschlagen, eine Zeitzeugin einzuladen. Wir konnten es kaum fassen und nahmen sein Angebot dankend an. In der nächsten Stunde lasen wir uns einen sehr knappen Lebenslauf der Zeitzeugin durch, in dem wir zum Beispiel erfuhren, dass sie „Mischling 1. Grades“ war und dass ihr Vater Psychiater war. Daraufhin arbeiteten wir heraus, wie wir die Fragen am besten formulieren und stellen können. Danach legten wir die Themen fest, auf die wir uns beziehen wollten. Als letzte Vorbereitung sammelten wir paarweise Fragen zu jedem Thema und arbeiteten diese in Gruppen aus, um sie dann im Zeitzeugengespräch zu stellen.
Schließlich war es soweit. Am Dienstag, den 05.09.2021 wurde unsere Klasse von Renate Rosenau besucht. Sie ist eine Zeitzeugin der zweiten Generation. Am Anfang des Gespräches stellte sie sich vor und zeigte uns anhand einer Powerpoint-Präsentation ihre Familie und ihre Wohnorte. Daraufhin durften wir mit der Befragung beginnen. In dem Gespräch erzählte sie uns etwas zu ihren Familienumständen. Ihre Eltern hatten eine privilegierte Ehe, ihr Vater durfte nur, weil er im ersten Weltkrieg an der Front gekämpft hatte, eine Praxis übernehmen. Zu der starken Diskriminierung der Juden sagte sie, dass Juden weder Auto, Radio, Klavier, Silberbesteck noch Pelzmantel besitzen durften. Sie schilderte uns ihr schlimmstes Erlebnis der Diskriminierung. Über 30 Familienangehörige wurden ermordet. Die Erlebnisse, an die sie sich am meisten erinnerte, waren die Befreiung von dem NS-Regime oder dass sie einmal von einem dunkelhäutigen Amerikaner eine Apfelsine bekommen hatte. Ihre Familie sah den hell erleuchteten Himmel in der Nacht als Koblenz brannte oder wie in der Nähe ein Flugzeug abgestürzte. In der Psychiatrie, in der ihr Vater arbeitete, wurden bis 1940 ausschließlich Epileptiker und Schizophrene eingeliefert. Zum Abschluss haben wir Frau Rosenau noch einen Strauß Sonnenblumen geschenkt und sie verabschiedet.
Mich hat an diesem Gespräch mit der Zeitzeugin wirklich sehr beeindruckt, dass sie sich so sehr an diese schwere Zeit erinnern konnte und auch noch so offen darüber sprechen konnte. Das muss wirklich sehr viel Kraft kosten und das auch noch vor einer gesamten Klasse.
Ich finde, dass man solche Zeitzeugengespräche viel öfter machen sollte, weil sie „Geschichte“ viel näher erleben lässt. Man sollte bloß vorher die Zeit behandelt haben, über die der oder die Zeitzeugin spricht, da die Person ja nur aus dem eigenen Blickwinkel erzählt und deswegen viele Sachen anders wahrnimmt als vielleicht jemand anderes.
Tom Scherner, 10c